Die Mythen der Männlichkeit: Erweitere dein Sichtfeld

In letzter Zeit höre ich immer häufiger, wie Männer – darunter auch viele selbsternannte Männercoaches – sich darüber beschweren, dass Jungs in unseren Institutionen strukturell benachteiligt werden. Sie sagen, Männer könnten nicht genug für ihre Söhne da sein und dass dies erst seit den 60er oder 70er Jahren so sei. Vorher, so wird suggeriert, war die Männerwelt noch in Ordnung. Für mich klingt das wie ein Mythos und eine bequeme Erklärung für die Schwierigkeiten, denen viele Männer heute gegenüberstehen. Doch was ist dran an diesen Vorstellungen?

Historische Perspektive

Die Idee, dass Männer früher präsenter für ihre Söhne waren, hält einer genauen Betrachtung der Geschichte nicht stand. Schon seit Tausenden von Jahren waren Männer oft abwesend, sei es durch Krieg, Handel oder andere lebensgefährliche Aufgaben. In vielen Kulturen war es üblich, dass Männer für längere Zeiträume abwesend waren, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen. Wie können wir also behaupten, dass die männliche Präsenz in der Erziehung vor wenigen Jahrzehnten besser war?

Die romantisierte Vergangenheit

Es scheint, als gäbe es eine nostalgische Verklärung der Vergangenheit, die viele Männer dazu verleitet, zu glauben, dass früher alles besser war. Diese romantisierte Sichtweise ignoriert die vielen Herausforderungen und Ungerechtigkeiten, die es auch damals gab. Männer mussten oft harte, gefährliche Arbeiten verrichten und hatten wenig Zeit für ihre Familien. Die Vorstellung, dass Männer damals eine stabilere und präsentere Rolle in der Erziehung spielten, ist ein Mythos, der einer genaueren Überprüfung nicht standhält.

Es ist unbestreitbar, dass sich die Rolle der Institutionen verändert hat und dass Jungs und Männer heute vor neuen Herausforderungen stehen. Bildungssysteme, Arbeitsmärkte und gesellschaftliche Erwartungen haben sich gewandelt. Doch anstatt diese Veränderungen pauschal als Benachteiligung zu interpretieren, sollten wir genauer hinschauen. Welche strukturellen Veränderungen haben tatsächlich stattgefunden? Wie wirken sie sich auf Jungen und Männer aus? Und vor allem: Wie können wir konstruktiv damit umgehen?

Projektionen

Die Idee, dass Männer heute nur deshalb Schwierigkeiten haben, weil sie von Frauen oder gesellschaftlichen Strukturen unterdrückt werden, kann auch als eine Form der Projektion verstanden werden. Es ist einfacher, externe Faktoren für persönliche Misserfolge verantwortlich zu machen, als sich mit den eigenen Unsicherheiten und Ängsten auseinanderzusetzen. Diese Projektionen verhindern jedoch, dass wir die wahren Ursachen unserer Probleme erkennen und angehen.

Selbstreflexion

Statt uns auf Mythen und romantisierte Vorstellungen der Vergangenheit zu verlassen, sollten wir den Mut haben, unsere eigenen Glaubenssätze und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Was bedeutet es wirklich, ein Mann zu sein? Wie können wir als Männer authentischere, tiefere Beziehungen zu unseren Söhnen und anderen wichtigen Menschen in unserem Leben aufbauen? Dies erfordert eine ehrliche Selbstreflexion und die Bereitschaft, gewohnte Muster zu durchbrechen.

Die Herausforderungen, vor denen wir Männer heute stehen, sind komplex und vielschichtig. Es gibt keine einfachen Antworten oder schnellen Lösungen. Doch indem wir derartige Mythen der Männlichkeit hinterfragen und die rosarote Geschichtsbrille ablegen, können wir beginnen, die wahren Ursachen unserer Probleme zu erkennen. Dies ist der erste Schritt zu einem authentischeren und erfüllteren Leben.

Bist du bereit, deine eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen und neue Wege zu gehen? Lass uns darüber sprechen, was es wirklich bedeutet, ein Mann zu sein – in einer Welt, die sich ständig verändert.


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